Südkurier 16.07.2006


Besser mit Ananas als gar kein Brunnen (Ausgabe vom 14.7.2006)

Temperiertes Herzblut

Zum Vortrag vom 12.7.2006

Wann beginnt die städtebauliche Moderne in Villingen?
Es wird kurz über die Moderne im öffentlichen Raum referiert und man verweist auf William Turner, einen Maler. Meines Wissens hängt kein Bild von Turner auf der Straße, sondern im Museum. Er wird der Kunstgattung der Romantik zugeordent, allerdings soll er wesentlichen Einfluss auf die ersten Impressionisten ausgeübt haben die die Moderne in der bildenden Kunst auslösten. In der Architektur beginnt die Moderne mit Adolf Loss einem Wiener Architekten der den Verzicht auf das Ornament proklamierte. Im Städtebau Süddeutschlands hat die Moderne ihren Anfang im badischen Fluchtliniengesetz, welche die gewachsenen Städte auf eine bessere - geometrischere Ausnutzung der Grundstücke zwang. Die Abkehr von der Blockrandbebauung hin zur Zeile ist deren Ausdruck in ganz Deutschland. Die eigentlichen Begründer der Moderne sind jedoch die Aufklärer um Lessing, Goethe, Kant, Descartes etc. Der Auslöser für die Moderne war jedoch Kopernikus, ein Naturwissenschaftlicher der sich mit dem bestehenden Weltbild auseinandersetzte und seins dagegenstellte. Für Villingen und für viele mittelalterliche Städte beginnt die Moderne als die österreichische Herrschaft in Villingen endete. Die Freiheitsgedanken der Aufklärer aber auch die technische Entwicklung der Kanonen ließen Schutzmauern in ihrer Funktion und Bedeutung überflüssig erscheinen. Die Bedeutung der Gesamtform für die Stadt blieb dabei unbeachtet. Die Gefahr drohte nicht von aussen, sondern von innen, denn der Glockengießer Grüninger war einer der Ersten, der die innere Mauer im südlichen Bereich zwischen Zinsergasse und Gerberstraße abbrachen um einerseits Platz für eine Werkstatterweiterung zu erhalten, andererseits um eine südliche Erweiterung der Stadt zu gewährleisten. Das Zeitalter der Moderne kann man unter allen Facetten auf einen Zeitraum von rund 400 Jahren eingrenzen. Für Villingen beginnt Sie um ca. 1806.

Wo gibt es in Villingen einen Platz?
Es gibt einen Osianderplatz bei uns, der denen entspricht die man Plätze nennt. Markusplatz in Venedig, Petersplatz in Rom, Wenzelsplatz in Prag, der Bundesplatz in Bern hat übrigens ein schönes Wasserspiel und es gibt zahlreiche andere Plätze. Was ist diesen Plätzen gemeinsam? Sie haben Umfassungswände. Man ist gefaßt in einem solchen Raum.
Der zentralste Ort Villingens hat jedoch keine Wände sondern Räume. Er birgt jedoch ein Geheimnis. Nur dort kann man in einer 360 Grad Drehung den einmaligen Kreuzraum der vier Villinger Hauptstraßen erleben. Der Potsdamer Platz ist 1702 noch ein Feldweg, Ende des 19.Jahrhunderts ein 5 -knotiger Verkehrs-knotenpunkt und gründet damit auf einer gewachsenen Struktur. Diese Analyse über den Postdammerplatz hätte man 15 Jahre früher anbieten sollen zur Niederetorproblematik.
Dieser Raum, im Volksmund Latschari-, oder Marktplatz manchmal auch Knochen genannt, ist etwas ganz Einmaliges und das seit rund 1000 Jahren. Es ist ein geplanter Raum hinter dem etwas steht, ähnlich wie auf dem Marktplatz in Freudenstadt oder dem Weinbrennerplatz in Karlsruhe, auch dies sind geplante Räume. Dies gilt es zu unterscheiden zwischen geplanten und gewachsenen Strukturen.

Als Denker würde ich sagen: Thema verfehlt. Doch ich möchte nicht überheblich sein. Ich versuche mein "Herzblut" zu temperieren, obwohl auch ich enttäuscht sein könnte.

Ihr Brunnenverfechter wollt einen Brunnen aus einer Zeit, in der ihr im Loch sitzen würdet, wenn ihr so mit dem Stadtoberhaupt umgegangen wärt. Er repräsentiert 80 000 Menschen und 40 000 Villinger und ist gewählt von den Bürgern und zwar so lange bis er abgewählt oder wiedergewählt wird und dazwischen muss in dieser Diskussion Achtung herrschen und zwar von allen Seiten. Einerseits wollt ihr Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung und andererseits wollt ihr eine Zeit heraufbeschwören wo diese Werte mit Füßen getreten wurden. Beides geht nicht. Ich möchte euch deshalb um eines bitten. Temperiert auch euer Herzblut. Ihr werdet dann für Villingen ein Bewußtsein schaffen, das in die Zukunft weisen könnte, aber nur dann, wenn wir bei der Sache bleiben und wo nicht polemisiert wird egal von wem. Die, die die Diskussion begonnen und an ihr teilgenommen haben und hoffentlich weiterführen, werden den Acker aufbereiten, umpflügen, säen und ernten. Ein Korn dieser Feldernte wird man uns stehlen und dieses wird an der besagten Stelle vielleicht aufgehen. Alles was wir über Villingen wissen, müssen wir in dieses Korn übertragen, so dass auch die richtige Erbinformation aufgeht, durch einen Großen der Stadtbaukunst. Dessen müssen wir uns bewußt sein. Allerdings muss das Aufgegangene diesmal besser sein als die vorhandenen Vorschläge.

Wir haben die Kenntnis des Ortes, an dem Mancher der Fachleute in Villingen scheiterte wie ich Eingangs kurz zeigte. Namen wie Max Bächer, Meinhard von Gerkan oder von Branca waren auch in Villingen tätig und waren noch andere Kaliber als die Jetzigen. Im Stadtarchiv liegt die Schrift "Die Chance des Niederen Tor". Das ganze Gebiet war recht komplex aber das Zentrum der Villinger Kernstadt überragt die damalige Problematik.

Nochmal ihr Brunnenbefürworter, ihr habt die Diskussion begonnen und Herr Riegger weiß bei der ersten Auseinandersetzung nicht was er angefangen hat. Mir war klar wie es nicht geht, mit Gewalt, Durchdrücken und Schreien werdet Ihr nichts erreichen. Wo es hingeht weiß ich auch nicht, ich habe zwar eine Vorstellung, aber wenn wir uns alle disziplinieren wird diese Diskussion spannend und fruchtbar, für jeden von uns, aber auch und insbesondere für Villingen.

Es wird ein Denken gefordert. Manche fangen damit an, manche sind dabei. Manch anderer hat diesen Prozess schon seit langem begonnen, speziell über Villingen. Wir kommen zur Erkenntnis, dass Villingen immer mehr an Qualität verliert. Diese aufgeworfene Diskussion könnte viel bewirken. Zerstört sie nicht.

Wie ist die geschichtliche Kette der Brunnenspitze zu deuten? Christliche Figur, Herrscher und eine Pflanze die auf einer griechischen Säule steht. Glaubt ihr tatsächlich dies hat sich einfach so ergeben, oder steckten nicht auch Auseinandersetzungen dahinter. Welche symbolhafte Kraft steckte dahinter, die die Menschen über Jahrhunderte beeindruckte und welche war die Stärkste und Bedeutendste?

Wenn die Aloe ein ernsthafter Vorschlag sein soll, dann muss man diese Heilpflanze auf einer griechischen Säule erklären für die damalige Zeit und was sie heute darstellen soll. Sie weist nämlich auf das Geblütsrecht der Herrschenden in einer aufklärerischen Zeit, die wir heute gerne benutzen, von der wir jedoch nicht wissen wie sie zustande kam.

Für Villingen und für die Stadt.


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